• Cannabis und Physiotherapie – medizinisches Cannabis in der Schmerzbehandlung

    Bei bestimmten Schmerzerkrankungen gilt Cannabis als ärztlich verordnetes Medikament seit einigen Jahren als wirkungsvolle Alternative zu anderen Schmerzbehandlungen. Bei der richtigen Dosierung zeichnet sich Cannabis durch geringe Nebenwirkungen aus und hat kein Abhängigkeitspotenzial. Wir erklären, wie medizinisches Cannabis eingesetzt wird und was es für die Physiotherapie interessant macht.

    Cannabis in der Heilkunde – eine lange Geschichte

    Die Menschheit nutzt Cannabis bereits seit Jahrtausenden. Der Fund einer 5.000 Jahre alten Tasche eines chinesischen Medizinmannes ist nur einer von zahlreichen Belegen. In Indien und Ägypten wurde Cannabis nachweislich schon um 1.500 v.Chr. eingesetzt. In der viktorianischen Ära wurde Cannabis nach England importiert und taucht seit den 1840er-Jahren in der westlichen Medizin auf. Es wird traditionell bei der Behandlung von Schmerzen, Entzündungen, Anfällen, Krämpfen und als Beruhigungsmittel eingesetzt.



    Die Rechtslage in Deutschland

    In Deutschland haben Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern seit 2017 Anspruch auf medizinisches Cannabis, das durch den Arzt verordnet werden kann. Die Kosten werden in der Regel von der Krankenkasse getragen. Bei der Krankenkasse müssen die Patienten darüber hinaus eine Genehmigung einholen, bevor der Haus- oder Facharzt ein Rezept ausstellen kann. Im Rahmen der Verordnung muss zudem cannabishaltigen Fertigarzneimitteln Vorrang vor Cannabisblüten und -extrakten gegeben werden.

    Cannabis und seine Wirkung

    Alle Wirbeltiere – zu denen auch wir Menschen gehören – haben ein endogenes Cannabinoidsystem. Die Cannabispflanze ist reich an Phytocannabinoiden, der pflanzlichen Version der Cannabinoide. Diese pflanzlichen Cannabinoidverbindungen interagieren mit dem Cannabinoidsystem des Menschen.

    Bis heute ist nicht vollständig geklärt, wie das Cannabinoidsystem funktioniert. Die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass es bei der Regulierung von Schmerzen, Appetit und Ernährung, Gedächtnis, Emotionen und Stress sowie dem Blutdruck eine Rolle spielen könnte.
    Dies passt auch zu dem, was Forschungsergebnisse und Erfahrungswerte über die Wirkung des medizinischen Cannabis aussagen.

    Die Wirkungen von Cannabis im Überblick:


    ● Schmerzlinderung, insbesondere bei neuropathischen Schmerzen (Nervenschmerzen)
    ● Verringerung von Entzündungen
    ● Reduktion von Muskelkrämpfen
    ● Verringerung von Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit Chemotherapie
    ● Förderung des Appetits

    Mögliche Nebenwirkungen und Kontraindikationen

    Es hat sich gezeigt, dass neue Nutzer von medizinischem Cannabis anfangs eher zu Nebenwirkungen neigen. Mit der Zeit entwickelt sich eine größere Toleranz, die jedoch nach einer mehrtägigen Pause auf einen niedrigeren Ausgangswert zurückgeht. Zu den Nebenwirkungen können Schwindel, Benommenheit, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Schwäche, verminderte Muskelkontrolle und Koordination sowie beim Rauchen von Cannabis ein erhöhter Herzschlag und Entzündungen im Hals-Rachen-Bereich gehören.

    Menschen mit Psychosen, schweren Persönlichkeitsstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schwangeren und Stillenden sollte Cannabis nicht verordnet werden.

    Die passende Dosierung

    Cannabis ist ein pflanzliches Produkt. Aus diesem Grund ist eine Dosierung schwierig. Verschiedene Cannabissorten enthalten nicht nur unterschiedliche Mengen an THC, sondern können sich auch in ihrer übrigen Zusammensetzung unterscheiden. Eine bestimmte Menge Cannabis mit seiner ganz eigenen Zusammensetzung aus Cannabis-Pflanzeninhaltsstoffen wie Cannabinoiden, Flavonoiden und Terpenoiden kann nicht zuletzt aufgrund des Entourage-Effekts unterschiedlich stark wirken. Ferner scheint es auch einen sogenannten "Sweet Spot" bei der Dosierung zu geben, bei dessen Über- oder Unterschreitung die gewünschte Wirkung nachlässt. Eine genaue Dosierung des medizinischen Cannabis sollte daher immer vom Patienten mit dem Arzt besprochen und gegebenenfalls nachjustiert werden.

    Aktuell werden als medizinisches Cannabis Produkte mit einem THC-Gehalt von einem bis etwa 22 Prozent verordnet.

    Der Nutzen in der Physiotherapie

    Bekommt ein Physiotherapiepatient von seinem behandelnden Arzt medizinisches Cannabis verschrieben, kann dies eine sinnvolle Ergänzung zur physiotherapeutischen Behandlung sein. Zum einen trägt die Wirkung des Cannabis an sich dazu bei, dass der Patient ausgeruhter und mit mehr Energie an die physiotherapeutischen Übungen gehen und damit besser mobilisiert werden kann. Ein weiterer Vorteil in diesem Sinne ist auch das geringe Risiko für Nebenwirkungen. Der Physiotherapeut muss allerdings darauf achten, dass er die schmerzlindernde Wirkung des Cannabis in der Behandlung berücksichtigt und den Patienten nicht überstrapaziert.