Eine physiotherapeutische Behandlung nach dem Bobath-Konzept ist eine problemlösende und individuelle Behandlung, die sich an dem orientiert, was der Patient einerseits mitbringt und andererseits benötigt. Basis des Bobath-Konzepts, das im frühen 20.ten Jahrhundert von Berta und Karl Bobath entwickelt wurde, ist neurophysiologisches und entwicklungsneurologisches Wissen. Weil sich dieses Wissen aber mit der Zeit ändern kann, ist das Bobath-Konzept keine starre Methode, sondern ein flexibler Rahmen, in welchem sich die angewandten Methoden weiterentwickeln und wachsen. Geeignet für alle Altersklassen vom Säugling bis zum Greis, gehört die physiotherapeutische Behandlung nach Bobath heute zu den bekanntesten und beliebtesten Konzepten.
Das Bobath-Konzept im Überblick
Eines der wichtigsten Schlagworte im Bobath-Konzept ist die Plastizität – die Fähigkeit des Gehirns, sich um- oder neu zu organisieren und damit die ausgefallene Funktion erkrankter Gehirnareale zu ersetzen. Tatsächlich ist das menschliche Gehirn sogar im hohen Alter in der Lage, funktionslose Wege im Nervensystem durch neu erlernte Verknüpfungen zu ersetzen und so verloren gegangene Funktionen wieder herzustellen. Entscheidend dafür ist ein Training des zentralen Nervensystems durch ständiges Wiederholen der gewünschten Bewegung. Ist beispielsweise eine Körperseite von einer Lähmung betroffen, so aktiviert das Training nach dem Bobath-Konzept gerade die stärker betroffenen Körperteile und relativiert so das Gleichgewicht zwischen der kaum betroffenen und der stark betroffenen Körperseite.
Die Begründer – Berta und Karl Bobath
Als Physiotherapeutin arbeitete Berta Bobath vor allem mit spastisch gelähmten Menschen in England und konnte dabei beobachten, dass Spastiken keinesfalls – wie bis dahin angenommen –unabänderliche, körperliche Beschwerden sind, sondern dass sie durch bestimmte Lagerungen, Stellungen oder Bewegungen zu lindern und sogar zu heilen sind. Aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus entwickelte Berta Bobath ein empirisches Behandlungskonzept. Ihr Mann, Karl Bobath, stand dem Konzept als Neurologe und Schulmediziner anfangs skeptisch gegenüber, musste nach eingehender Prüfung in eigenen Studien aber feststellen, dass seine Frau Recht hatte. Überzeugt vom Konzept erarbeitete Karl Bobath die neurophysiologischen Grundlagen des Konzepts und war an dessen Verbreitung maßgeblich beteiligt.
Bobath-Therapie: Für alle Altersklassen geeignet
Zu Beginn konzentrierten sich die Anwender des Konzepts auf Säuglinge und Kinder, weil hier der Plastizität des Gehirns der größte Spielraum eingeräumt wurde. Erst in den 60er Jahren wurde das Bobath-Konzept auch in die Pflege und Therapie erwachsener und alter Menschen mit neurologischen Erkrankungen eingeführt. Heute gilt es in diesem Bereich als das erfolgreichste Therapiekonzept weltweit. Behandelt werden Menschen mit verschiedenen neurologischen Erkrankungen wie beispielsweise nach Schlaganfall. Besonders halbseitig gelähmte Patienten profitieren bisweilen so enorm von der Behandlung nach Bobath, dass sie ihr Leben wieder selbständig und aktiv führen können. Wichtig ist, dass der zu behandelnde Patient in der Lage ist, die notwendigen Übungen nach Bobath durchzuführen und so aktiv zum Behandlungserfolg beizutragen.
Physiotherapeuten im Bobath-Konzept
Für die Behandlung eines Patienten und den größtmöglichen Therapieerfolg ist es erforderlich, dass der Patient Teil eines 24-Stunden-Konzepts ist. Um das zu erreichen, müssen alle – Patient, Arzt, Physiotherapeuten, Pfleger, Ergotherapeuten und Angehörige – an einem Strang ziehen. Bei allen Aktivitäten mit und um den Patienten können die Bestandteile des Bobath-Konzeptes einbezogen und genutzt werden.
Vorteile für den Patienten
Während früher neurologische Schäden oft ein Grund für dauerhafte Behinderung und Pflegebedürftigkeit waren, können heute Patienten mit Gehirnschäden statt notdürftiger Kompensation der Lähmungen auf ein Wiedererlernen der normalen Bewegungsfähigkeit hoffen. Das hat für den Patienten natürlich den großen Vorteil, dass er – intensives Training und Umsetzung der empfohlenen Übungen und Maßnahmen vorausgesetzt – ein selbständiges Leben mit den alltäglichen Aktivitäten wiedererlangen und genießen kann. Um eine gute Grundlage für die spätere Rehabilitation zu legen, kann die Bobath-Therapie deshalb schon auf der Intensivstation beginnen.
Die Grenzen der Bobath-Therapie
Drei wesentlichen Faktoren beeinflussen den Erfolg des Bobath-Konzepts bei jedem einzelnen Patienten: das Ausmaß der Schäden im Gehirn, die Motivation und die Disziplin des Patienten und die Mitarbeit der Angehörigen. Besonders der Umfang und die Schwere der Schädigungen im Gehirn sind vor Beginn der Therapie nicht vollständig bekannt und ihr Einfluss daher nicht vorhersagbar. Deshalb kann der Rehabilitationserfolg in einigen Fällen geringer ausfallen als erhofft.