Einleitung zum Thema
Ich habe mich bemüht, das Thema so abzuhandeln, dass es für Laien verständlich wird.
Darum kommen Ausdrücke wie
Somatischer Reflexbogen
Visceraler Reflexbogen
Gate controll
usw
in meinen Beschreibungen nicht vor.
Geschichte
Das Tape wurde in den 70-er Jahren vom japanischen Chiropraktiker Kenzo Kase entwickelt. Danach kam es als Therapie nach USA un ende der 90-er Jahre via England und Deutschland nach Europa.
Generell gibt es drei Anlagetechniken.
- Muskeltchnik
- Ligamenttechnik
- Lymphtechnik
Material
Das Tape besteht aus einer hochwertigen Baumwoll-Basis und lässt sich auf ca 130 – 140% dehnen, und ist somit in etwa gleich dehnfähig wie unsere Haut. In der Produktion wird das Tape in einer Dehnung von ca 110% arbeitsfertig verpackt. Wieso mit 110% sehen wir später noch.
Wie stark und ob überhaupt das Tape beim Anlegen gedehnt wird hängt von der gewählten Anlagetechnik sowie dem gefundenen Befund ab.
Dabei ist zu beachten dass:
Die Muskel- und die Lymphtechnik ohne Zug, die Ligamenttechnik mit angepasstem Zug (Dehnung) angebracht werden.
Der Klebstoff (Acryll) wird durch die körpereigene Wärme aktiviert.
Ca 30 Min. nach anbringen, des Tapes kann der Pat damit Extrembewegungen machen, duschen baden die Sauna besuchen etc.
Das Tape enthält keine medikamentöse Zusätze. Die Wirkung beruht einzig und allein auf den unten beschriebenen mechanischen Komponenten.
Tape anlegen
Den zu tapenden Körperteil gut mit Alkohol reinigen, evtl. rasieren damit das Tape auch wirklich auf der Haut und nicht auf den Haaren klebt (hätte ausser Schmerz keine Wirkung).
Den Muskel oder Hautabschnitt dehnen und Tapelänge abmessen.
Den Patienten wieder entspannen lassen und nun das Tape zuschneiden:
Form und Ecken
Patienten wieder dehnen lassen und Tape in der gewählten Technik anbringen und „festreiben“
Durch das Reiben entsteht Wärme was den Acryllklebstoff aktiviert.
Das Tape bleibt nun für 5 bis 7 Tage drauf.
Allergische Reaktionen kennt man eigentlich nicht. Es kann sein, dass es nach einigen Tagen etwas zu jucken beginnt das ist aber weiter kein Problem. Sollte es aber zu stark oder unangenehm werden das Tape entfernen und den Therapeuten das nächste Mal informieren.
Das Tape entwickelt seine grösste Wirksamkeit so ca ab dem 2. Tag.
Nach dem tapen den Patienten die vorher eingeschränkte oder schmerzhafte Bewegung sofort als Test machen lassen.
Verspührt der Patient nicht sofort eine Verbesserung ist entweder
1. falsche Anlegetechnik gewählt worden
2. nicht korrekt gearbeitet worden
3. es wurde eine Diagnose statt ein Befund getapt
4. was ich nur sehr sehr selten erlebt habe, der Patient braucht länger bis er reagiert
Kann man sich ein Tape selbst anlegen?
Grundsätzlich Nein!!
Folgende Fragen sollen das unterstreichen:
- Wie soll man ein Oberschenkel hinten dehnen und gleichzeitig Tapen?
- Wie soll man das Tape mit nur einer Hand angelegt werden, ohne dass es unter Zug gerät? Ist selbst für mich als langjähriger und fleissiger Taper bei nur ganz wenigen Anlagen ohne Verlust der Qualität möglich.
Alternative
Bei kleinen Anlagen die aber häufig wiederholt werden müssen, sag ich dem Patienten, dass er Jemand mitnehmen soll dem ich das Tapen dan zeige. Kann er es zu meiner Zufriedenheit nachahmen > ok, wenn nicht muss der Patient weiter zu mir kommen, oder bringt jemand anders, oder ist mit dem Können seines Anwesenden Begleiters zufrieden und übernimmt dann auch die Verantwortung wenn es nicht wirklich was bringt.
Darum mein Aufruf an alle Patienten:
- Lass ein Tape nur von autorisierten, in Kinesio- Tape ausgebildeten Therapeuten machen!
- Denk daran es ist Deine Gesundheit die Du ja anstrebst!
- Es sind Deine Schmerzen die bei unsachgemässer Arbeit nicht weggehen!
Das Tape entfernen
Es hat sich bewährt das Tape in nassem Zustand zu lösen.
Das Tape nicht ruckartig sondern Schritt für Schritt entfernen und dabei mit der zweiten Hand die Haut möglichst nah am Tape fixieren.
Tonisierend, detonisierend tapen
Meine persönliche Erfahrung ist, dass es eigentlich egal ist ob man vom Ursprung zum Ansatz oder Umgekehrt tapt.
Was hingegen sehr wichtig ist, ist die genaue und korrekt ausgeführte Klebetechnik, die richtige Wahl der Anlagetechnik.
Auf die Farbe komme ich später zu sprechen.
Wirkungsweise
Wenn der Muskel, und somit auch die Haut, nach anlegen des Tapes wieder entspannt wird, zieht sich auch das Tape auf 100% zusammen. Dadurch ergibt sich unter dem Tape ein Hautbild das wie Wellkarton aussieht. Diese Wellen werden nun bei jeder Bewegung des entsprechenden Körperteils (d.h. zum Teil bei jedem Atemzug) gedehnt und gebildet. Die „Grösse“ dieser Welle ist bei jedem und überall am Körper verschieden gross. Manchmal sind sie nicht mal sichtbar.
Was passiert nun?
Dazu muss ich für die Laien hier etwas ausholen.
1. Wenn Du alle Blutgefässe in Deinem Körper zu einer Schnur machst reicht diese am Äquator 1 bis 2 mal um die Erde (40000 bis 80000 Km).
2. Wenn Du dasselbe mit den Nerven machst reicht die Schnur bis zum Mond.
Das gibt Dir eine Vorstellung wie klein und fein in uns drinnen alles ist.
Jetzt fordert aber jede Verletzung Platz, da sich nun dort div. Stoffe ansammeln die sonst gar nicht, oder nicht in dieser Menge da sind. Z.B. ein Bluterguss, Schwellung, entzündungsbildende, und hemmende Stoffe, Schmerzmildernde Stoffe usw usw.
Sobald aber etwas mehr Platz fordert muss etwas anderes weichen.
Dadurch dass nun Blut- und Lymphgefässe komprimiert werden gewinnt der Körper viel Platz. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert, denn die Stoffe, die zur Heilung benötigt werden können nur durch die Blutbahnen hierhin gelangen.
Wir haben also folgendes Bild:
Du giesst mit dem Schlauch Deine Blumen. Der Wasserhahn ist zwar voll offen, aber, da ich auf dem Schlauch stehe, kommt bei Dir vorne trotzdem fast nichts.
Was macht nun das Tape?
Du hast sicher noch das Bild vom Wellkarton im Kopf. Bei jeder einzelnen dieser Wellen wird nun die Haut etwas abgehoben, dadurch entsteht unter der Haut mehr Raum den der Körper sofort durch vergrössern der Durchmesser der Blut- und Lymphgefässe auffüllt. Das führt zu einer augenblicklichen Mehrdurchblutung und einem vermehrten Lymphabfluss. Zudem werden die venösen Blutgefässe und die Lymphgefässe durch die anhaltende Pumpbewegung „leergepumpt“ d.h. die entsprechenden Flüssigkeiten werden vorwärts geschoben.
Daraus resultiert, dass nun die benötigten Stoffe zur Heilung vermehrt zur Verletzung gelangen. Ebenso kann dadurch die Schwellung viel schneller abgebaut werden.
Wie wirkt das Tape gegen Schmerz?
Wir haben 1000ende von Schmerzrezeptoren in unserem Körper.
Werden diese nun durch Kompression, oder auf irgend eine Art von Verletzung gereizt, melden sie das ans Rückenmark. Von da kommt nun der Befehl an den oder die entsprechenden Muskel(n) sich anzuspannen um quasi einen Schutzpanzer aufzubauen. Das löst aber wieder oben beschriebene Situation vom Platzmangel aus. Zudem werden die Schmerzrezeptoren wieder, bzw noch mehr, komprimiert und ein endloser Kreislauf beginnt.
Durch das anheben der Haut durch das Tape werden diese Schmerzrezeptoren entlastet und der Schmerz nimmt sofort ab.
Farbe
Das ist ein sehr viel diskutierter Punkt. Ich gebe hier einfach meine persönliche Meinung und Erfahrungen wider.
Therapeutisch im Sinne der Farbenlehre spielen die Farben der Tapes absolut keine Rolle.
Also Aussagen wie: Pink ist Wärme fördernd, blau entzündungshemmend, kühlend kann ich nicht unterstützen.
Folgender Erfahrungsbericht zeigt, dass die Farben aber in anderer Hinsicht sehr wichtig sind.
Ein 14- jähriges Mädchen kommt zu mir. Befundung ergibt, dass die Schienbeinmuskulatur mit zwei Streifen getapt werden muss. Ich frag sie, wie ich es bei allen mache, welche Farbe sie möchte. Wie aus der Kanone geschossen sagt sie „pink“. Anschliessend erzählt sie mir, dass pink und türkis ihre Lieblingsfarben sind. Ich sagte ihr dass es auch türkisfarbenes Tape gibt, mir das aber am Vortag ausgegangen sei. Weiter erwähnte ich, dass das schade sei weil hier am Bein zwei Farben richtig cool ausgesehen hätten.
Ihre Antwort darauf: „ Das ist nicht schade sondern gemein“.
Also statt dem Tape irgendwelche Wirkungen, die es nicht hat, zuzuschreiben, und die Patienten somit zum Tragen einer ihnen unangenehmen Farbe zu vergewaltigen, müssen wir den psychologischen Wert von „ich hab ein cooles pinkes Tape“ oder „ich habe ein dezehntes beiges Tape“ ausnutzen.
Indikationen
Diese Liste ist unendlich. Darum gehe ich gleich zu den
Kontraindikationen
Wenn ein Therapeut den gesunden Menschenverstand gebraucht hat das Tape eigentlich keine absoluten Kontraindikationen, aber einige relative
- Frische Verletzungen Eine Alternative wäre hier ein Lymphtape
- Schwangerschaft
- Thrombose
- Bei bekannter starken allergischen Reaktionen der Haut
Aus dem Beschriebenen kann man erkennen dass das Tape sowohl als eigenständige sowie ergänzende Therapie eingesetzt werden kann.
Für Elektrotherapie müssen einfach die Plätze für die Elektroden ausgespart werden.
Kältetherapie kann gut über das Tape gemacht werden.
Ebenso Massage oder KG
Ich denke ich habe nun die wichtigsten Sachen zum Thema Kinesio Tape gesagt.
Ich wünsche allen, ob Anwender oder Tragender, viel Erfolg mit dieser spannenden Therapie.
Mario
Liebe Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, ich schreibe derzeit meine Bachelorarbeit zum Thema „Autonomieerleben und Burnout bei Physiotherapeut*innen in Deutschland“ im Studiengang...