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Gast1692
kniffliger fall: schmerzhafte blockierung hüftinnenrotation
Hallo,
meine mittlerweile fast 2-jährige Krankengeschichte am Hüftgelenk bringt mich zur Verzweiflung, daher wollte ich mir mal eure Meinungen hören, vielleicht habt ihr einen Rat und wisst, was es sein könnte und wie man therapieren kann..
Zu mir: Tänzer, hypermobile Hüfte, viel in die Außenrotation gearbeitet. Irgendwann muss es passiert sein, vor knapp zwei Jahren habe ich mir irgendwas in der rechten Hüfte verletzt (Zerrung...?), was nicht richtig erkannt/therapiert wurde, es ging nicht mehr weg, und der (Leisten/Kapsel)Schmerz trat vor allem beim gehen und in der Außenrotation (tanzen) auf. Dann, nach ein paar Monaten (ich trainierte während der Zeit intensiv, vor allem HipHop, also viele Sprünge und gebeugte Innenrotation) auf einmal beidseitig der gleiche Schmerz in der gebeugten Innenrotation, die Bewegung wurde regelrecht blockiert, und es tat sehr weh.
Ich habe dann den Fehler gemacht und über ein jahr über den Schmerz hinweg weitertrainiert, bis es dann zu Beginn dieses jahres nicht mehr ging, da ich manche Bewegungen gar nicht mehr, oder nur mit großen Schmerzen, ausführen konnte.
Ich bin bei zig Orthopäden und Therapien gewesen, und habe div. "Diagnosen", jedesmal vage, gehört. Röntgenbild ohne Befund, MRT ohne Befund. Es wurde fitgespritzt, gedehnt, gekräftigt, mit Gewalt nach innen gedreht (autsch), Chiropraktik, Schwimmgymnastik - nichts hat geholfen.
Ich hatte vorher nie Probleme mit der Hüfte, auch nichts angeborenes o.ä. (Dysplasie). Ich kann nur vermuten, daß irgendwas am Kapsel/Bandapparat ist, aber was?
Der aktuelle Stand der Dinge ist: ich mache Physiotherapie, manuelle T., Dehnen, Lockerung der Muskeln die natürlich auch alle sehr verkrampft sind. Das Krankheitsbild hat sich seitdem etwas gebessert, der Schmerz ist zwar noch da, aber weniger.
Der letzte Orthopäde meinte, es könne sich um ein "Impingement" (Kapselmuster/Schrumpfung, Verklemmung usw.) handeln und er wollte mich gleich zur Arthroskopie dabehalten...ich kann das einfach nicht glauben, und vor allem ist eine OP (!) das letzte was ich mache.
Wie beurteilt ihr meinen Fall, und was kann ich tun?
Danke für eure Hilfe!
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APM
Hallo,
die Tatsache, dass die jetzige Therapie Verbesserung bringt, zeigt ja, dass du auf dem richtigen Weg bist.
Hast du dir mal überlegt, ob du durch das Tanzen nicht evtl. zuviel Belastung auf eine vorgeschädigte Struktur bringst? Nach einer Zerrung o.ä. braucht das Bindegewebe Zeit zu heilen. Wenn du dem Bindegewebe diese Zeit nicht gibst, wird die Heilung nicht optimal ablaufen können, d.h. dass die betroffene Struktur nicht mehr so belastungsfähig ist.
Die Heilung des Bindegewebes
Entzündungsphase (0. bis 5. Tag) auch Latenz- / Reizungs- oder Katabole Phase
Vaskuläre Phase auch Latenz-Phase
- Ziel: Blutverlust gering halten
- Mittel: Vasokonstriktion + Gerinnung: Thrombozyten, Fibrin
- Dauer: 0. bis 2. Tag
Zelluläre Phase auch Entzündungs-Phase
- Ziele: Abräumen von Fremdkörpern und Zelltrümmern, Abwehr von Infektionen, Einleiten des Wiederaufbaus.
- Mittel: Leukozyten, Enzyme, Hämodynamik, Chemotaxis, Zytokine, Wachstumsfaktoren.
- Dauer: 2. bis 5. Tag
Es bietet sich an, den Prozess der Wundheilung in Phasen einzuteilen, aber man muss bedenken, daß diese Phasen sich überschneiden. Ferner sollte man daran denken, daß diese Ereignisse im Nachfolgenden so beschrieben werden, wie sie sich idealerweise abspielen. In Wirklichkeit zeigen Patienten mit Wunden oft keinen idealen Heilungsprozess.
Die Entzündungs- oder Reaktionsphase beginnt unmittelbar nach der Verletzung und hält ungefähr vier bis fünf Tage an. Sie wird unterteilt in die vaskuläre Phase (Tag 0 bis 2) und die zelluläre Phase (Tag 2 bis 5). Die ersten Aktivitäten in der vaskulären Phase sind die Hämostase oder Blutstillung und die Phagozytose, d.h. die Neutralisierung von Bakterien und die Aufbereitung der Wunde für ein Débridement durch Makrophagen.
Sofort nach der Verletzung kommt es zu einem Platzen von Thrombozyten aus dem Blutstrom. Eiweißstoffe im Blut bilden zusammen mit den Thrombozyten ein Fibringerinnsel. Gerinnselbildung und Vasokonstriktion von verletzten Gefäßen verringern den Blutverlust. Eine Erweiterung nahegelegener Gefäße führt zum Flüssigkeitsaustritt aus den Gefäßen und somit zu einem Gewebsödem.
Diese Flüssigkeit wird Wundsekret oder Exsudat genannt und besteht aus Plasma, das durch weiße Blutkörperchen entsprechend aufbereitet wurde. Sie enthält außerdem Serumproteine, Enzyme, Antikörper und Wachstumsfaktoren, die für die Heilung wesentlich sind. Neutrophile bzw. polymorphkernige Leukozyten sind frühe Abwehrmittel gegen eine mikrobielle Invasion. Danach verdauen die Makrophagen die Mikroben und Zelltrümmer (Phagozytose, Débridement) und setzen gefäßerweiternde Stoffe frei, was zur Rötung (Erythem) und Schwellung (Ödem) führt, den normalen klinischen Zeichen einer Entzündung.
Innerhalb von 24 Stunden nach der Phagozytose von Bakterien und Zelltrümmern sterben die Neutrophilen ab und bilden den in einer Wunde sichtbaren "Eiter". Die Makrophagen sind die hauptsächlichen Entzündungszellen und "dirigieren" den Heilungsprozeß. Die aktivierten Makrophagen setzen einen Reiz für die Fibroblasten, welche damit beginnen neue Zellen zu bilden.
Diese so entstandenen Myofibroblasten wandern mit den Makrophagen in das Wundgebiet hinein. Indem Makrophagen Leukozyten ersetzen, stimulieren sie die Einwanderung von Fibroblasten und deren Proliferation. Fibroblasten ihrerseits verstärken die Produktion von Kollagen Typ III (retikuläre Fasern) die Vorstufe des Bindegewebs-Netzwerkes vom Kollagen Typ I.
Klinisch erscheint eine Wunde in der Entzündungsphase gerötet und geschwollen. Die Entzündung ist absolut wesentlich für die Wundheilung, wobei jedoch ein sehr feines Gleichgewicht zu erreichen ist. Der Entzündungsprozess muss in Gang gesetzt werden, damit die Abheilung beginnen kann; er muss aber auch ein zeitlich begrenzter Prozess sein, der abklingen muss, bevor eine Heilung weiter fortschreiten kann
Proliferationsphase 5. – 21. Tag oder Exsudative Phase
- Ziel: Aufbau eines provisorischen Ersatzgewebes (Granulationsgewebe)
- Mittel: Fibroblastenproliferation. Gefässneubildung (Angiogenese), Wachstumsfaktoren
- Dauer: 5. bis 21. Tag
In der Proliferationsphase, die etwa vom 5. bis zum 21. Tag andauert, kommt es zur Proliferation von Fibroblasten und zur Neubildung von Blutgefäßen (Angiogenese). Die Zahl der Monozyten, Leukozyten, Lyphozyten und Makrophagen nimmt ab und wir finden fast nur noch Fibroblasten und Myofibroblasten im neuen Gewebe. Die eigentliche Entzündung sollte beendet sein. Falls sich der Patient nicht schont, kann es dazu kommen, dass die Situation nicht zur Ruhe kommt und er sich immer noch in der entzündlichen Phase befindet. Granulation, Epithelisierung und Vernarbung spielen sich unter Füllung und Verschluß des Defektes ab. Indem sich die Fibroblasten vermehren, nimmt die Menge des abgelagerten Kollagens zu und erereicht um den 14. Tag ihr Höhenpunkt. In dieser Phase ist es ausserordentlich wichtig, dass innerhalb der Schmerzgrenzen physiologische Bewegungen ausgeführt werden. Man hat nämlich festgestellt, dass dann das Narbengewebe besser organisiert wird.
Das nun gebildete Kollagen Typ III verleiht der Narbe ihre (allerdings geringe) Stärke. Neue Kapillaren "sprießen" von den vorhandenen Gefäßen in die neu abgelagerte Kollagenmatrix ein und bilden Granulationsgewebe : eine Vorstufe des festeren Kollagen Typ I Bindegewebes.
Granulationsgewebe besteht aus Fibroblasten, neu entstandenen Kollagenfasern und einem reichhaltigen Gefäßnetz. Dies ist das glänzende, rote, "fleischige" Gewebe, das leicht blutet.
Konsolidierungsphase 21. – 60. Tag Reifungsphase = Umbauphase = Remodelling Phase
- ab 21. Tag bis zum 60. Tag
- Ziel: Umwandlung des provisorischen Ersatz- in definitives (Narben)gewebe.
- Mittel: Redimensionierung von Gefässen und Zellzahl, Umwandlung und Ausreifung von Bindegebszellen und -substanz, Verkleinerung der Narbe durch Kontraktion.(auch: Kontraktionsphase)
Die Endphase, die Reifung oder Neuformung
Dies ist die längste Phase; sie beginnt etwa 21. Tage nach der Verletzung und hält ein Jahr oder länger an. Manchmal wird die Phase in einer Konsolidierungsphase (21. bis 60. Tag) und einer Organisationsphase (60. bis 360. Tag) eingeteilt. Während dieser Zeit bilden sich die Kollagenfasern um.
Die Kollagensynthese bleibt bis zum 120. Tag hoch. Bis zum 150. Tag sind etwa 85% des ursprünglich angelegten Kollagens Typ III durch stabileres Kollagen Typ I ersezt. Die Narbe altert, enthält weniger Zellen und gewinnt an Reißfestigkeit. (Reißfestigkeit ist die maximale Kraft, die ausgeübt werden kann, ohne daß es zum Zerreißen kommt.)
Die Narbe besitzt schließlich bis zu 80% der ursprünglichen Stärke, bleibt aber stets dem Originalgewebe in der Struktur unterlegen.
Die Narbe
Definitives Ersatzgewebe der desintegrierten Gewebestruktur. Das Ausmass der Vernarbung kann durch diverse Mechanismen während der Wundheilungsphasen beeinflusst werden:
- Entzündungsphase: Unterhalten der Entzündungsreaktion durch mechanische Irritation oder Infektion
- Proliferationsphase: Uebermässige Ausbildung von Granulationsgewebe
- Organisationsphase: reaktive Narbenbildung durch Zug auf die Narbe, Glättung der Narbe durch Druck
(Urheber: irgendeine Internetseite, weiß nicht mehr welche, denke aber, dass der Artikel von Frans van den Berg ist)
Ich selbst habe mir vor 4 Wochen beim unkoordinierten Umdrehen im Stand eine Zerrung eines Hüftmuskels samt vorderer Kapsel zugezogen. In der ersten Woche konnte ich nur mit viel Schmerzen humpeln, bin deshalb so wenig wie möglich gegangen. Inzwischen merke ich es nur noch bei Extrembewegungen.
Gruß von susn
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Gast1692
noch ein paar fragen...
Hallo,
und vielen Dank für die Antwort!
Nur um das noch mal zu klären: der Orthopäde sprach irgendwie von "Kapselmuster" usw., und ich habe es jetzt für mich so übersetzt, daß das über den Schmerz hinweg trainieren falsch war, und daß zu einer nicht ausgeheilten Sportverletzung hinzu kam, daß die Kapsel bestimmte Bewegungen nicht freigibt (Schonhaltung, Muskelverkrampfung etc.).
Ist das so richtig?
Was mich umtreibt: kann es denn sein, daß innerhalb von rund einem Jahr sich die Kapsel im Sinne eines "Impingements" (Verklemmung, Knochenanbauten o.ä.) morphologisch verändert, so daß ein operativer Eingriff notwendig wäre?
Ich kann mir das einfach nicht vorstellen - meine Hüften waren immer gesund, ich habe auch keinerlei Veranlagung zu einer Pathologie (Form des Gelenks etc.).
Sprich: ich möchte mein Problem konservativ behandeln, mit der Hoffnung, das Gelenk/die Kapsel durch Aufdehnen, Massagen, manuelle T etc. wieder freizubekommen. Ist das realistisch gedacht?
Danke für eure Antworten!
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Gast2398
Hallo Taenzer
ein kapselmuster ist eine charakteristische Schrumpfung der Kapsel eines Gelenkes, die auftritt, wenn das gelenk,d.h der Knorpel, verschlissen oder entzuendet oder verschlissen und entzuendet ist. Beim Hueftgelenk ist nun eben die Innenrotation die erste charakteristisch eingeschraenkte Bewegungsrichtung. Ob arthrotische Beschwerden vorliegen laesst sich z. T aus der Art deiner Beschwerden erkennen. Z.B Anlaufschmerz am Morgen, Schmerz bei laengerem Stehen, bei langsamen Gehen. Kannst du deine Beschwerden und Einschraenkungen ein bisschen genauer beschreiben.
Du solltest die Strukturen deines Hueftgelenks auf jeden Fall im Ausschlussverfahren testen lassen, falls das nicht schon geschehen ist.D.h Muskulatur gegen widerstand und ohne Bewegung arbeiten lassen, Tests der passiven Strukturen (Baender,Ligamente). Wenn die Kapsel verletzt ist, dann muss sie ausheilen, wie Susn ausfuehrlih dargestellt hat. Und wenn deine Gelenk verschlissen ist, dann kommt es darauf an: in welchem Umfang.Aber erstmal genau dignostizieren lassen, welche Struktur (oder Strukturen) verletzt sind.
Gruss
wolfmann
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Gast1692
Danke für das Posting,
mittlerweile habe ich auch eine Diagnose: "Prärthrose".
Der Ultraschall zeigte keinen Erguss, auf dem Röntgenbild siet man "feine scharfkantige Anzeichen", wie es der Orthopäde ausdrückte.
Auch habe ich keine typischen Arthrose-Beschwerden wie Anlauschmerz, Steifheit im Gelenk morgens usw., oder zumindest merke ich nichts, bis auf diesen sehr präzisen, tiefen Leistenschmerz. Der Orthopäde meinte, es müsste nicht so bleiben, aber man sieht dass da das Gelenk auf eine längerfristige Dauerreizung und Überlastung reagiert habe.
Die Kapsel ist mit Sicherheit gereizt (vor allem links), und ich soll jetzt Entzündungshemmer nehmen - der Arzt hat mir Arcoxia verschrieben, aber ganz ehrlich mag ich diese Cox2-Hemmer überhaupt nicht, nicht zuletzt weil das Medikament in den USA noch nicht mal eine Zulassung hat und der Zusammenhang mit Herz-Kreislaufproblemen ungeklärt bleibt.
Ich würde lieber Voltaren nehmen o.ä.
Der Arzt meinte ich sollte das Gelenk schonend bewegen, also radfahren, schwimmen/Schwimmgymnastik, stretchen, und ggfs. auch ein leichtes Tanztraining ohne zu forcieren - unterstützt das auch die Kapselheilung? Physiotherapie wird fortgesetzt, und ich hoffe wirklich, dass sich dieser Zustand positiv auflösen lässt!
Danke für Eure Antworten und Anmerkungen zu meinem Fall - für weitere Tipps bin ich Euch sehr dankbar, vielleicht fällt Euch ja noch etwas ein was ich machen kann um die Heilung zu unterstützen.
Jules
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