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lotti3
Achillodynie & -entzündung
Aaaaah! Schon wieder so'ne schreckliche Diagnose (jedenfalls für mich als Anfänger):
Ich habe am Montag einen Pat. mit folgender Diagnose (also, ich kann leider zu seiner persönlichen Problematik noch nix sagen - aber vielleicht habt Ihr schonmal allgemeine Hinweise für mich, denn ich finde in meiner gesamten Literatur NICHTS zu diesen Diagnosen):
Chron. Achillessehnenentzündung m. sek. Achillodynie + Achillobursitis, Tendosynovitis achillae re., ausgeprägte Strukturstörung SOWIE
lumbalgieformes Facettensyndrom L4/S1 bds.
Also ich habe weder was zur Achillessehnenentz. noch zur Bursitis noch zum Facettensyndrom der WS gefunden.
Ich meine, wenn die Achillessehne schon Strukturstörungen hat, dann muß ich doch extrem vorischtig sein, oder? Ich denke fast mal, dass es ein Pat. ist, der um eine OP rumkommen will - so hört es sich jedenfalls an.
Aber was mach ich nun mit ihm?? Als Anfänger würd ich sagen gg. die Entz. evtl. Kryo?? Nur kann ich das leider in der Praxis nicht machen Und ansonsten (wg. der Strukturstörungen) würde mir nur einfallen Übungen wie kurzer Fuß, evtl. PNF etc. zu machen um den gesamten Fuß zu stabilisieren. Oder gibt es da noch was??
Und was ist denn überhaupt ein Facettensyndrom?? Sind dabei die Facettengelenke arthrotisch verändert?? Ja, und was hilft dem Pat. denn da.
übrigens ist der Pat. noch relativ jung - erst 43 Jahre alt.
Ich weiß, dass sind jetzt keine konkreten Angaben, da ich bisher nur die Diagnose gelesen, den Pat. aber selbst noch nicht gesehen hab. Aber, hat viell. trotzdem jmd. Tipps für einen Anfänger - worauf sollte ich achten, was könnte ihm gut tun?
Vielen Dank schonmal für Eure Hilfe!!
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APM
Hallo lotti,
hier schon mal Infos zum Facettensyndrom http://www.dr-gumpert.de/html/facettensyndrom.html
Zu deinen anderen Fragen morgen dann mehr (bin jetzt müde und geh ins Bett)
Gruß von susn
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APM
Hallo Lotti,
Erstens keine Panik.
Zweitens hast du Internetzugang und das Netz ist voll von Infos über alle nur erdenklichen Erkrankungen. Gut, manchmal kostet etwas Zeit sich durch alles durchzuarbeiten, aber meist findet man ziemlich genau das, was man gesucht hat. Googeln hilft immer!
Den Link zum Facettensyndrom habe ich dir ja schon geschickt, ich hoffe, dass du damit was anfangen kannst. Falls nicht, frage hier im Forum mutig weiter.
Zur Achillessehne:
http://www.schmerzzustaende.de/achillodynie/
Ganz allgemein sollten wir Physios immer eine eigene Anamnese und einen eigenen Befund machen. Also in diesem Fall: wie lange bestehen die Beschwerden schon, was war der Auslöser, etc. Da du noch in der Ausbildung bist, wirst du u.U. aber mit den Aussagen des Patienten nicht viel anfangen können, bzw. die Aussagen werden dir keine bestimmte Behandlungsrichtung aufzeigen. Deshalb tue ich nun etwas, was ich eigentlich nie mache, nämlich ohne Vorliegen eines genauen Befundes, also auch ohne Kenntnis über die Ursachen eine Behandlungsstrategie zu empfehlen.
Heilen können wir Physios unsere Patienten nicht! Heilen muss das Gewebe immer von alleine! Wir Physios können den Patienten aber zeigen, was sie zur Heilungsunterstützung tun können.
Die Achillessehne mit Bursa, etc. besteht aus Bindegewebe. Ist dieses Bindegewebe entzündet, wird nicht mehr genügend Wasser im Bindegewebe gebunden sein, das Bindegewebe ist also weniger belastbar. Da eine Achillessehne aber für jeden Schritt benötigt wird, passiert es leicht, dass sie ständig zu viel belastet wird, was natürlich die Heilung behindert. Eine völlige Entlastung ist aber gerade im chronischen Stadium auch nicht wünschenswert, da Gewebe adäquate Belastung zur Heilung braucht. Also ist, um eine Heilung zu erreichen, eine ausgewogene Belastung (Dehnung ist auch Belastung!) unbedingt nötig! Siehe dazu auch http://www.physiosupport.org/wundheil.htm
Deine Aufgabe ist es, den Patienten dazu zu bringen seine Achillessehne wieder angstfrei zu belasten, zu dehnen und zu benutzen.
Ganz, ganz wichtig zu Beginn einer Behandlung ist, dass du dir die Sache ganz in Ruhe anschaust, keinerlei Aussagen wie „oh Gott, das sieht aber schlimm aus“ machst, sondern vielmehr dem Patienten Mut machst in dem du ihm erklärst, dass er durchaus durch Eigeninitiative Chancen hat sein Problem in den Griff zu bekommen, dass er aber unbedingt selbst aktiv werden muss, dass er Hausaufgaben machen muss. Eigenverantwortung von Seiten des Patienten ist extrem wichtig für den Behandlungserfolg! Mache ihm so klar wie irgend möglich, dass die Achillessehne wieder Belastung lernen muss, und du leider nicht für ihn üben kannst.
Als zweites tut es immer gut, wenn du dem Patienten schmerzfreie Zuwendung gibst, z.B. durch leichte Massage des Unterschenkels, gut auch in Verbindung mit leichter Dehnung (also während der Massage der Fuß in Dorsalextension bewegen und wieder in Ruhestellung kommen lassen - denn wie gesagt, ohne Bewegung besteht keine Aussicht auf Besserung durch konservative Therapie. Ändere während der Massage auch die Kniestellung (aus Knieextension in Knieflexion)
Falls du schon Roll-Gleit-Techniken für das Sprunggelenk kannst, sind diese hier unbedingt anzuwenden.
Vor dem Belasten des Fußes kannst du auch sehr schön eine kurze Fußmassage machen, das erhöht die Wahrnehmung und somit die Propriozepsis.
Eine sehr gute Möglichkeit die Achillessehne und den Trizeps funktionell zu trainieren ist über exzentrische Arbeit = Zehenspitzenstand und dann langsam die Ferse absenken. Auf der folgenden Seite ist das sehr schön beschrieben: http://www.contractrelax.de/db/news/achillodynie.xhtml
Sehr gut funktioniert auch das Abrollen des betroffenen Fußes in kleiner Schrittstellung mit Abstützen auf der Bank (nicht betroffenes Bein steht vorne und trägt das Körpergewicht, Knie flektiert. Das betroffene Bein steht hinten, Fußspitze hat Bodenkontakt). Dann langsam aber mit Kraft die Ferse auf den Boden bringen. Wenn das gut funktioniert kannst du den Patienten mit dem betroffenen Bein auch die volle Schwungbeinphase machen lassen, also betr. Bein nach vorne bringen, dann wieder nach hinten, Fußspitze aufsetzen, Ferse runterdrücken.
Schau dir auf jeden Fall die Ischios, den Quadrizeps, die Hüftmuskulatur und die untere Bauchmuskulatur an (Verkürzung, Kraft). Hier wirst du mit Sicherheit fündig, also dehnen, und am besten nur funktionelle Kräftigungsübungen im Stand oder Sitz machen. Rückenlage empfinde ich persönlich meist als zu unfunktionell, weil zu wenig Stützmuskulatur gefordert wird. Schön auch für jüngere Patienten sind Übungen mit dem Theraband.
So, jetzt habe ich aber genug geschrieben, muss los in meine Praxis, habe heute noch zu tun.
Gruß von susn
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Gast3322
Wow, das war mal ne super und ausführliche Antwort!! Ich hab nur kurz was anzumerken. Hatte mal bei so einem Patienten großen Erfolg mit Triggerpunktbehandlung. Das kombiniert mit dem was APM gesagt hat, hat den Patienten schmerzfrei gemacht.
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lotti3
Super - Vielen Dank!
Wow - das ist sowas von lieb von Dir! Dass Du Deine wahrscheinlich sehr knappe Zeit für soooooooooo eine ausführliche Antwort opferst!!
Es hat mir sehr, sehr weitergeholfen!
Zu meiner Schande muß ich gestehen - ich bin fertige Physio - allerdings dieses Jahr fertig geworden. Abschluss hab ich als Klassenbeste gemacht, aber das Gefühl habe ich leider gar nicht. Entweder war unsere Schule so schlecht (denn es fühlen sich alle, die eine Job haben als absolute Looser) oder aber es kann in der Zeit einfach nicht so viel vermittelt werden, wie man zum Start schon bräuchte. Jedenfalls fehlt mir eine MENGE!!! Die ganze Ausbildung war einfach (was das schulische angeht) eh viel zu theoretisch...
Aber naja - werde mich gleich auf die ersten Fobis stürzen und wälze ja auch schon fleißig Bücher Tag für Tag
Im Internet hatte ich auch schon viel gesucht, aber irgendwie war ich mit dem, was ich rausgefunden hatte nicht so ganz zufrieden.
Na, jedenfalls nochmal einen RIESENGROßEN Dank! Mir ist schon bewusst, dass ich das alles noch ganz speziell auf den Patienten anwenden muß, das hatte ich ja auch geschrieben. Aber als kleiner "roter Faden" sind Deine Hinweise einfach nur super!! DANKE!
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